Lindisfarne: Die Heilige Insel

Im hohen Norden von England, kurz vor der schottischen Grenze, befindet sich einer der schönsten und ungewöhnlichsten Orte des Landes: Lindisfarne, die heilige Insel. Ein Tagesausflug dorthin sollte unbedingt unter Berücksichtigung der Gezeiten geplant werden, denn schon so mancher wurde von der Flut überrascht.


Das Kloster Lindisfarne und die Wikinger

Lindisfarne, oft einfach Holy Island genannt, ist eine winzige Insel vor der Küste von Northumberland, die nur bei Ebbe erreichbar ist. Hier gründete der irische Mönch Aidan im Jahr 634 ein Kloster. Im gleichen Jahr wurde Cuthbert geboren, der 50 Jahre später erster Bischof von Lindisfarne wurde und bis heute als regionaler Schutzheiliger von Northumbria verehrt wird.

793 schrieb Lindisfarne Geschichte, als die kleine Insel und ihr Kloster von Wikingern überfallen wurde. Zwar war es nicht das erste Mal, dass sich die Seefahrer aus Norwegen über die Nordsee getraut hatten, doch die Plünderung des heiligen Klosters schreckte die Angelsachsen erst so richtig auf. Viele Mönche wurden getötet oder von den Wikingern als Sklaven verschleppt.

Bei einem erneuten Wikingerüberfall 875 brachten die Mönche den Sarg von St. Cuthbert auf’s Festland und begruben den Heiligen zunächst in Chester-le-Street, ehe er noch einmal nach Ripon und schließlich nach Durham verlegt wurde. Über seiner Grabstätte entstand die prächtige Kathedrale von Durham.

Lindisfarne im Mittelalter

Lange Zeit blieb Northumberland im Besitz der Wikinger, ehe die Angelsachsen sie wieder vertrieben und selbst kurz darauf ihr Land den Normannen (bei denen es sich ironischerweise um die Nachfahren der in Nordfrankreich heimisch gewordenen Wikingern handelte) überlassen mussten. William of St Calais wurde zum ersten Bischof von Durham ernannt und ließ 1093 ein neues Kloster auf Lindisfarne errichten. Neben den Mönchen lebten zahlreiche Fischer auf der kleinen Insel, die das Kloster und seine Besitztümer auf dem Festland mit frischem Fisch versorgten.

Nachdem Henry VIII mit der katholischen Kirche gebrochen hatte, wurden die Klostergebäude teilweise als Bootsschuppen gebraucht oder abgerissen. Mit ihren Steinen wurde Lindisfarne Castle erbaut, die Burg, die heute noch malerisch über der Insel thront. Von hier konnten die Engländer nach angreifenden Schotten aus dem Norden Ausschau halten.

Lindisfarne heute

Weit prosaischer wurde Lindisfarne im 19. Jahrhundert zum Abbau von Kalkstein genutzt. Einige der alten Kalkbrennöfen sind noch zu sehen. Daneben spielte die Fischerei noch lange eine wichtige Rolle, doch heute dominiert der Tourismus. Das bekannteste lokale Produkt ist Lindisfarne Mead, das auf dem von den Mönchen im Mittelalter gebrauten Met basiert und heute in der St Aidan’s Winery hergestellt wird. Wer es stärker mag, der kann sich mit Holy Island Gin die Kante geben.

Die Insel und die umliegenden Gebiete stehen heute als Lindisfarne National Nature Reserve unter Naturschutz, da viele Meeresvögel und Zugvögel in den Feuchtgebieten brüten. Entsprechend beliebt ist Lindisfarne bei Vogelbeobachtern.

Der Besuch von Lindisfarne

Das größte Problem für den Besuch von Holy Island sind die Gezeiten. Die geteerte Straße (Causeway) wird etwa drei Stunden nach der Flut geöffnet und zwei Stunden vor der nächsten Flut wieder geschlossen. Trotz aller Warnhinweise bleibt mindestens ein Auto pro Monat auf dem Causeway stecken, weil der Fahrer von der Flut überrascht wurde. Ihre Hilfe lassen sich die Rettungsdienste teuer bezahlen.

Fußgänger können bei Ebbe zu Fuß auf dem Pilgrim’s Way hinüber gehen. Die Strecke mit einer langen Reihe von uralten Holzpfählen markiert. Ehe der Causeway angelegt wurde, waren sie der einzige Wegweiser überhaupt, um halbwegs trockenen Fußes nach Lindisfarne zu gelangen.

Auch hier sind unbedingt die Gezeiten zu beachten. Die Wanderung dauert etwa zwei Stunden und die Küstenwache empfiehlt, zwei Stunden VOR Ebbe loszugehen, um die Zeit zu maximieren. Am sichersten ist es, sich einer geführten Gruppe anzuschließen. Wer doch einmal von der einsetzenden Flut überrascht wird, findet entlang der Strecke sogenannte Refuge Boxes, eine Art hölzerne Hochsitze, die auch bei Flut nicht überspült werden.

Die Sehenswürdigkeiten von Lindisfarne

Der Causeway endet an einem großen Parkplatz für Tagesausflügler. Hier befindet sich auch die Bushaltestelle. Der einzige Ort von Holy Island ist in wenigen Minuten durchquert. An seinem Südende befinden sich die Ruinen des mittelalterlichen Klosters neben der heutigen Kirche St Mary The Virgin, überwacht von einer Statue von St Aidan. Obwohl nur noch Grundmauern zu sehen sind, wird doch £7.00 Eintritt verlangt.

Von hier führt der Weg zum rauen Holy Island Beach und weiter zur Hauptsehenswürdigkeit der Insel, Lindisfarne Castle. Es ist empfehlenswert, Eintrittskarten vorab online zu buchen, denn pro Tag wird nur eine bestimmte Anzahl Tickets verkauft, um Überfüllung zu vermeiden. Der Eintritt kostet £8.50 für Erwachsene, Kinder zahlen die Hälfte.

Im Eintritt eingeschlossen ist ein Besuch von Gertrude Jekyll’s Garten, einer in England sehr bekannten Gärtnerin, die im späten 19. Jahrhundert und frühen 20. Jahrhundert mehrere hundert wunderschöne Gärten in Großbritannien und den USA entwarf.

Von hier aus führt der Weg entweder direkt in den Ort zurück oder einmal rund um die Ost- und Nordküste von Lindisfarne. Im Dorf lohnt sich ein Besuch im Heritage Centre, das die Geschichte von Holy Island erzählt. Auch das Old Lifeboat Station Museum ist einen Blick wert, denn es zeigt wie wichtig die Arbeit der Seenotretter an der Küste ist.

Übernachten auf Lindisfarne

Manche kommen freiwillig, andere müssen auf Lindisfarne übernachten, weil sie die Gezeiten nicht im Auge behalten haben. Zum Glück gibt es neben Ferienhäusern auch eine Reihe kleiner Gasthöfe und Bed & Breakfasts wie das Manor House Hotel und das Ship Inn, die jedoch nicht billig sind. Wer es einrichten kann, sollte lieber auf dem Festland wohnen und sich einige Tage Zeit nehmen, die vielen Sehenswürdigkeiten von Northumbria nördlich von Newcastle zu erkunden.