Über kaum etwas wird in Online-und Offline-Reiseführern so viel Unsinn geschrieben wie über die Beschaffung von Theaterkarten in London. Dahinter stecken entweder Versuche, über Agenturen überteuerte Tickets zu verkaufen oder ganz einfach schlechte Recherche gepaart mit dem Fehlen jeder persönlichen Erfahrung. Als jemand, der seit 30 Jahren regelmäßig die Londoner Theater besucht (der Hauptgrund für die vielen Reisen und die Liebe zur Insel), will ich hier mal versuchen, ein realistisches Bild mit wirklich sinnvollen Informationen zu zeichnen.
Das West End von London
Was den New Yorkern der Broadway, ist den Londonern das West End. Beides sind eigentlich geographische Bezeichnungen, die sich für den jeweiligen Theaterdistrikt etabliert hat. Dieser umfasst in London grob gesagt die beiden Viertel Soho und Covent Garden zwischen Oxford Street im Norden, Regent Street im Westen, Strand im Süden und Kingsway im Osten. Dazu kommen zwei Theater an Victoria Station. Alles, was jenseits des West Ends liegt, wird als Fringe bezeichnet. Diese Theater sind in der Regel kleiner und günstiger.
Dazu wird zwischen dem kommerziellen West End und den subventionierten Theatern unterschieden. Anders als in Deutschland gibt es nur sehr wenige subventionierte Theater wie das National Theatre am Südufer der Themse und die Royal Shakespeare Company. Die kommerziellen Produzenten müssen Millionenbeträge von Investoren locker machen, um ihre Stücke auf die Bühne zu bringen und diese müssen sich entsprechend gut verkaufen. Dies führt dazu, dass zumindest im West End fast keine fragwürdigen Regietheater-Inszenierungen zu sehen sind, die mir das deutsche Theater schon lange verleidet haben. Stattdessen beruht das West End auf zwei Säulen: Großen Musicals, analog zum Broadway, und Theaterstücken mit erstklassigen Besetzungen, darunter auch regelmäßig großen Hollywoodstars, für die ein Auftritt im West End als Ritterschlag gilt.
Theaterkarten für London vorab bestellen
Der erste Tipp vorweg: Finger weg von teuren deutschsprachigen Agenturen im Internet und Reisebüros, die Karten zum vollen Preis mit zusätzlichem satten Aufschlag verkaufen. Wer auch nur ein bisschen der englischen Sprache mächtig ist, sollte Theaterkarten für London stets direkt online beim jeweiligen Theater kaufen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten, denn wer Google bemüht, kann oft nur schwer zwischen der offiziellen Website und Agenturen unterscheiden.
Ich liste bewusst keine aktuellen Stücke auf, denn die Spielpläne ändern sich schneller als jemand Shakespeare richtig buchstabieren kann. Als Einstieg, um überhaupt zu wissen, was gespielt wird, ist die Website der Society of London Theatre (SOLT) zu empfehlen Hier lässt sich allgemein herausfinden, welche Stücke laufen und in welchem Theater sie spielen. Tickets würde ich hier jedoch nicht bestellen, weil der Ticketverkauf über die Agentur SEE Tickets samt entsprechenden Zuschlägen läuft.
Mit dem neuen Wissen lässt sich nun aber das gewünschte Stück bei Google finden. Ich nehme als Beispiel mal Phantom of the Opera, weil das Musical von Andrew Lloyd Webber uns alle vermutlich überleben wird. Gibt man bei Google „Phantom of the Opera London“ ein, bekommt man recht früh die offizielle Website angezeigt – darauf immer achten, denn nur eine Seite eines Musicals darf sich „Official Website“ nennen. Auf der Website wird man nun zur Buchungsseite von LW Theatres weitergeleitet.
Hintergrundwissen zum Kauf von Theaterkarten in London
LW Theatres, bitte? Wie bereits erwähnt handelt es sich bei den meisten Musicals und Theaterstücke um kommerzielle Produktionen. Die Produzenten müssen bei den Theaterbesitzern ein Theater für die Laufzeit mieten. Manchmal besitzen Produzenten auch eigene Theater, was die Sache natürlich leichter macht. Die großen Theaterbesitzer betrieben jeweils eine eigene Buchungsseite für ihre Theater. Die Big Four im Überblick:
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Ambassadors Theatre Group (ATG) von Howard Panter und Rosemary Squire mit über 50 Theatern in Großbritannien, den USA und Deutschland
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Delfont Mackintosh von Cameron Mackintosh mit acht Theatern im West End
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LW Theatres von Andrew Lloyd-Webber mit sechs Theatern im West End
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Nimax Theatres von Nica Burns und Max Weitzenhoffer mit sechs Theatern im West End
Daneben gibt es noch einige kleinere Ausnahmen. Der US-amerikanische Nederlander Organization from Broadway gehören zum Beispiel das Dominion Theatre und das Aldwych Theatre, sowie die Hälfte des Adelphi Theatres (zusammen mit Andrew Lloyd-Webber).
Wer Eintrittskarten im West End zu den regulären Preisen kaufen will, tut dies also über eine der oben genannten Gruppen. Bei Anbietern wie SEE Tickets, Ticketmaster, usw. handelt es sich dagegen um Agenturen, die gewisse Kartenkontigente erhalten und mit Aufschlag anbieten. Sie können eine Lösung sein, wenn die regulären Theaterkarten in London längst vergriffen sind.
Tipps zur Auswahl der Eintrittskarten im West End
Die wichtigsten Begriffe, die bei der Buchung auftauchen:
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Stalls sind das Parkett
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Dress Circle ist der erste Rang
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Upper Circle ist der zweite Rang
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Balcony ist der dritte Rang (sofern er vorhanden ist)
- Boxes sind die Logen
Manchmal geben die Theater den Rängen auch andere Namen wie Grand Circle – aber aus den Sitzplänen erschließt sich eigentlich immer, welcher Rang gemeint ist. Die seitlichen Logen haben Vor- und Nachteile. Der größte Nachteil ist der seitliche Blick auf die Bühne, bei dem ein Teil der Bühne meist verloren geht. Dafür stehen frei verschiebbare Stühle in den Logen und bieten wesentlich mehr Beinfreiheit als die sehr eng bestuhlten Reihen.
Dies muss jeder Theaterbesucher wissen: Die meisten Londoner Theater sind über hundert Jahre halt. Sie wurden zu einer Zeit gebaut und bestuhlt, als der Durchschnittsbürger kleiner und vor allem wesentlich schlanker war. Es geht also relativ eng in den Sitzen zu.
Eintrittskarten vor Ort in London kaufen
Wer sich erst vor Ort für einen Theaterbesuch entscheidet, der sollte seine Theaterkarten in London direkt am Theater kaufen. Die Theaterkasse nennt sich Box Office und ist generell ab 10.00 Uhr morgens geöffnet. Ob noch Karten da sind, hängt natürlich vom Stück ab. Bei Musicals, die bereits seit einiger Zeit laufen oder die nicht sonderlich populär sind, gibt es auch am Tag der Vorstellung noch Tickets. Bei einigen Hits oder bei Schauspielen mit absoluter Starbesetzung ist dies schon schwieriger.
Was tun bei ausverkauften Shows?
Ist eine Vorstellung ausverkauft, können Interessierte ab morgens für „Returns“ anstehen, also zurückgegebene Tickets für den gleichen Tag. Wer morgens relativ früh kommt und bereit ist, einen halben Tag zu warten, bekommt auch meist noch was – allerdings gibt es dann keine Auswahlmöglichkeit, sondern nur das, was gerade zurückgegeben wurde.
Wo gibt es Rabatte?
In Reiseführern wird noch immer die „Half Price Theatre Booth“ am Leicester Square empfohlen. Diese existiert zwar noch, bietet aber nur noch selten tatsächlich um 50% ermäßigte Karten an. Auf der oben genannten SOLT-Website lässt sich sehen, welche Shows rabattierte Karten anbieten. Dazu den Button On-The-Day TKTS auswählen und auf der Seite das Häkchen bei Discounts Only setzen. Nun ist zu sehen, für welche Shows im West End Eintrittskarten günstiger zu haben sind.
Eine heute beliebtere Option ist die App TodayTix, die man sich vor der Abreise auf dem Smartphone installieren kann. Auf ihr werden (soweit nicht ausverkauft) morgens um 10 Uhr sogenannte Rush Tickets verkauft, also übriggebliebene freie Plätze. Außerdem bietet TodayTix immer wieder „24 Stunden Aktionen“ mit üppiger Ermäßigung für ein bestimmtes Stück an.
Eine Option für hartgesottene Schnäppchenjäger sind die Day Seats, die manche Theater anbieten. Meist wird die erste Reihe im Parkett dafür freigehalten, manchmal werden die Day Seats aber auch beliebig verteilt. Sie werden verkauft, wenn morgens um 10 Uhr das Box Office öffnet und kosten je nach Schauspiel oder Musical etwa £10 bis £25. Ist ein Stück nicht sonderlich gefragt, ist es durchaus möglich, um 10.05 Uhr als einziger ins Box Office zu spazieren und einen oder zwei Day Seats zu kaufen. Bei populären Musicals und Schauspielen mit Starbesetzung bildet sich dagegen schon ab 7.00 Uhr morgens eine Schlange, die dann stundenlang bei Wind und Wetter ausharrt.
Jenseits des West Ends
Überall in England lassen sich erstklassige Produktionen sehen. Musicals gehen nach der Spielzeit im West End immer auf Tournee durch die größeren Städte. Einige Theater haben sich einen hervorragenden Ruf für die Entwicklung neuer Stücke erarbeitet, die dann nach London transferieren. Es lohnt sich bei einer Englandreise also immer, einen Blick auf die Spielpläne der besuchten größeren Städte zu werfen, denn auch dort lassen sich tolle Stücke sehen.
Theater in England besuchen: Do’s and Don’ts
Für viele Menschen gehört ein Musical- oder Theaterbesuch zum touristischen Paket einer London-Reise und besorgen sich spontan vor Ort Theaterkarten in London oder bestellen sie vorab. Sie werden dann schnell kalt erwischt, denn der Theaterbesuch in England unterscheidet sich doch in einigen Aspekten vom deutschen Theater.
Der Einlass erfolgt meist 30-45 Minuten vor Beginn und die meisten Engländer stürmen erst einmal die Bar. Die Toiletten sind diskret als „Ladies“ und „Gentlemen“ auszeichnet und in den labyrinthartigen Gängen oft nicht leicht zu finden. Die Usher genannten Platzanweiser und Programmverkäufer helfen gerne weiter. Pausengetränke können vor Beginn der Vorstellung an der Bar vorbestellt werden. Sobald die Pause beginnt, warten die Getränke bereits samt Bestellnummer, sodass das nervige Schlange stehen entfällt. Eine weitere schönere Pausentradition ist die Interval Ice Cream: Sobald die Lichter angehen, kommen die Eiscreme-Verkäufer in den Saal um sagenhaft überteuerte kleine Eiscremetöpfchen zu verkaufen.
Der wohl größte Unterschied, über den sich deutsche Theaterliebhaber gerne echauffieren, ist die Tatsache, dass in englischen Theatern Getränke und Süßigkeiten mit in den Saal genommen werden dürfen. Ich selbst sehe das zweischneidig. Es muss nicht unbedingt sein, aber es ist auch nichts schlimmes dabei, wenn jemand ab und zu an einem Glas Wein nippt oder Bonbons lutscht. Allerdings gibt es auch negative Nebenaspekte wie Leute, die mit raschelndem Bonbonpapier oder knackenden Chips Lärm machen. Hier kann ich nur sagen: When in Rome… (oder eben in London).
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